Was ist ein kognitiver Bias?
Ein kognitiver Bias, auch kognitive Verzerrung oder Fehler genannt, ist ein systematischer Denkfehler. Dieser tritt auf, wenn Menschen Informationen aus der Welt wahrnehmen und interpretieren. Der kognitive Bias beeinflusst die Entscheidungen und Urteile, die die Menschen treffen.
Das Gehirn will Energie sparen
Das menschliche Gehirn kann viel leisten, aber es verbraucht sehr viel Energie. Und da Energie begrenzt ist, muss der Körper versuchen, Energie zu sparen. Und daher ist auch unser Gehirn darauf ausgerichtet, weniger Energie zu verbrauchen. Kognitive Verzerrungen sind oft das Ergebnis, dass passiert, wenn unser Gehirn versucht, Energie zu sparen. Das Bestreben ist es, die Informationsverarbeitung zu vereinfachen, um so weniger Energie zu verbrauchen. Vorurteile, Prototypen und Faustregeln helfen uns dabei, die komplexe Welt zu vereinfachen und so Energie bei der kognitiven Verarbeitung zu sparen. Sie ermöglichen es, die Welt schnell zu verstehen und schnell gute Entscheidungen zu treffen. Allerdings können diese Mechanismen uns auch manchmal in die Irre führen.
Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Entscheidungen
Unser Gedächtnis kann sich so mit der Zeit verzerren. Wir erinnern manches als wichtig, was uns zur damaligen Zeit nur am Rande aufgefallen ist. Durch die veränderte Erinnerung werden unsere Entscheidungen in der Gegenwart beeinflusst. Weiter steuern auch die kognitiven Verzerrungen unsere Aufmerksamkeit. Wir haben nur wenig Aufmerksamkeit, und müssen gut wählen, für was wir sie verbrauchen. Aus diesem Grund können sich subtile Vorurteile einschleichen und die Art und Weise beeinflussen, wie wir denken.
Die Forschung nach dem kognitiven Bias
Das Konzept der kognitiven Verzerrung wurde 1972 von den Forschern Amos Tversky und Daniel Kahneman eingeführt. Seitdem haben Forscher eine Reihe verschiedener Arten von kognitiven Verzerrungen beschrieben, die die Entscheidungsfindung in einer Vielzahl von Bereichen beeinflussen.
Das Framing-Experiment von Kahneman und Tversky
Im folgenden soll ein Experiment von Kahneman und Tversky (1981) dargestellt werden, das zeigt, wie man kognitive Bias erforschen kann. Das Experiment zeigte, dass Menschen unterschiedlich auf Sachlagen reagieren, je nachdem wie sie dargestellt werden. Die Probanden bekommen eine Geschichte erzählt bei der 600 Menschenleben bedroht sind. Die Probanden müssen sich für eine Option entscheiden:
- Option A: rettet 200 sicher
- Option B: 30% Wahrscheinlichkeit, dass alle 600 überleben, 60% Wahrscheinlichkeit, dass niemand gerettet wird.
Beide Optionen sind gleichwertig. Die meisten wählten die sichere Option A. Dann nahm man eine andere Formulierung:
- Option A: tötet 400 Personen.
- Option B: bewirkt, dass mit 30% niemand stirbt, mit 60% dass niemand gerettet wird.
Beide Optionen sind gleichwertig. Diesmal wurde jedoch Option B mehrheitlich gewählt. Unsere Entscheidung ist nicht rational nach einem zahlenmässigen Vorteil, sondern je nach Frame, ob man eine Gewinnperspektive oder eine Verlustperspekive hat. Wir bevorzugen, was uns sicher scheint. Und wir gehen mehr Risiko ein, wenn wir über Verlust-Möglichkeiten entscheiden, als wenn wir über Gewinn-Möglichkeiten entscheiden. Reaktionen sind bei Verlusten extremer als bei Gewinnen. Die folgende Aufzählung soll nochmal einen Überblick geben über die unterschiedlichen kognitiven Bias, die durch weitere Experimente erforscht wurden.
Liste von kognitiven Verzerrungen
- Akteur-Beobachter-Bias: Dieser Bias führt dazu, die eigenen Handlungen externen Ursachen zuzuschreiben, während das Verhalten anderer Personen internen Ursachen zugeschrieben wird.
- Verankerungsfehler: Wir verlassen uns zu sehr auf die allererste Information, die wir bekommen. Die erste Information setzt einen Anker, anhand dem wir alles weitere Vergleichen. Wenn wir zuerst einen hohen Preis für ein Haus hören, dann werden wir alle anderen Preise, die wir von anderen Häusern hören mit diesem Vergleichen. Und dabei spielt es keine Rolle, ob der erstgenannte Preis an sich zu hoch war oder nicht. Was zählt, ist dass er zuerst genannt wurde und wir anhand diesem vergleichen.
- Aufmerksamkeitsverzerrung: Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf manches besonders, auf anderes hingegen nicht. Anderes wird einfach vom Gehirn ausgeblendet. Dies nennt man die Aufmerksamkeitsverzerrung. Beispielsweise können Sie bei der Entscheidung, welches Haus Sie kaufen möchten, auf die Fahrtdauer zur Arbeit achten, aber die Heizung und Qualität ignorieren.
- Verfügbarkeitsheuristik: Alles was bei uns im Gehirn schnell verfügbar ist, scheint zu wichtiger zu sein. Wir glauben Informationen einfach deshalb mehr, weil wir sie leicht erinnern. Weiter überschätzen wir dann auch, wie häufig die Dinge sind, die wir leicht erinnern.
- Bestätigungsverzerrung: Informationen, die unsere Ideologie oder Überzeugung bestätigen werden von uns genauer wahrgenommen und beachtet. Fakten und Informationen allerdings, die unserer Meinung widersprechen, werden einfach ignoriert.
- Falscher Konsenseffekt: Wir gehen zu schnell davon aus, dass alle anderen auch so denken wie wir selbst. Dies wird falscher Konsens-Effekt genannt. Dieser Effekt kann auch dann auftreten, wenn es eine laute Minderheit gibt, die den Anschein erweckt, überall zu sein.
- Funktionale Fixierung: Wir fokussieren uns auf die Funktion, die etwas für uns hat. Dies führt dazu, dass wir die Dinge nach ihrem Nutzen für uns betrachten. Dies erstreckt sich nicht nur auf Werkzeuge und Gegenstände, sondern auch auf Menschen. Wir sehen die Menschen in einer bestimmten Funktion, die sie ausüben und erkennen dann nicht, dass sie auch andere Funktionen genau so gut hätte ausführen können.
- Halo-Effekt: Unser Eindruck von einer anderen Person wird dadurch beeinflusst, wie wir uns selber fühlen. Auch wenn dies nicht durch die andere Person direkt hervorgerufen wird. Körperliche Schönheit kann so zum Beispiel dazu führen, dass auch die Qualität der Arbeit als höher eingeschätzt wird. Oder wenn wir auf einer wankenden Brücke stehen und aufgeregt sind, wird die Aufregung auch auf die Menschen übertragen, mit denen wir auf dieser Brücke sind. Diese Menschen halten wir dann für aufregend.
- Fehlinformationseffekt: Durch das, was wir von anderen hören, wird auch unsere Erinnerung beeinflusst. Wir können nicht mehr unterscheiden, ob wir es von anderen haben oder selbst erlebt oder gesehen zu haben. Das Ereignis kann leicht beeinflusst werden. Darum sind auch Augenzeugenberichte mit Vorsicht zu betrachten.
- Optimismus-Bias: Wir gehen grundlos davon aus, dass es besser wird, wenn wir etwas machen als wenn es andere in der gleichen Situation tun würden. Wir denken, dass es weniger wahrscheinlich ist, selber Unglücklich zu werden und man leichter den Erfolg erreicht als andere. So geht man bei Beginn der Ehe davon aus, dass sie halten wird und denkt nicht daran, dass sie bei so vielen anderen gescheitert ist.
- Eigennützige Voreingenommenheit: Wir gehen davon aus, dass äussere Dinge verantwortlich sind, wenn uns schlechte Dinge passieren. Wenn gute Dinge passieren hingegen neigen wir dazu, uns selbst dafür verantwortlich zu fühlen. Wenn wir zum Beispiel ein Spiel gewinnen, denken wir, dass es an unserer Fähigkeit liegt, während wenn wir verlieren, führen wir es gerne auf die Umstände wie unsere Müdigkeit oder schlechte Bedingungen zurück.
- Dunning-Kruger-Effekt: Dieser Effekt führt dazu, dass wir denken, klüger zu sein, als wir es in Wirklichkeit sind. Wir überschätzen unsere Kompetenzen und das, was wir erreichen können.
Diese Aufzählung gibt einen kurzen Überblick über die vielen unterschiedlichen kognitiven Bias, die unser Gehirn täuschen können.
Referenzes:
Cherry K., What Is Cognitve Bias? Verywell Mind, 05 May 2020. URL: https://www.verywellmind.com/what-is-a-cognitive-bias-2794963 (12.10.2021)
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